Der Jesuitenpater Alfred Delp war Mitglied des sog. Kreisauer Kreises, einer gewaltfreien Widerstandsgruppe während der Zeit des Nationalsozialismus. Am 2. Februar 1945 wurde er in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Während seiner Gefangenschaft 1944 im Nazi-Gefängnis Berlin-Tegel befasst er sich intensiver mit dem Advent. Immer wieder begegnet uns in den Aufzeichnungen von Pater Delp das Thema Advent. Er beklagt, dass die Menschen dessen ursprünglichen Sinn verworfen haben. Für ihn ist der Advent eine Zeit der Unruhe, der Gottsuche, des Hungers nach Brot und eine Zeit des Neuanfangs. Sein zentrales Anliegen ist es, in Zeiten der Erschütterung Orientierung zu geben, und dabei kommt er zu dem Fazit: „Alle, die in Christus stehen, werden bestehen.“ Delps Worte fordern mich wieder heraus, richten mich auf und lassen mich staunen über die bleibende Aktualität der Aussagen. Auch wenn sein adventliches Buch „Im Angesicht des Todes“ abgenutzt ist, spricht aus den Texten eine prophetische Botschaft für unsere Tage. Eine Kostprobe gebe ich gerne weiter:
„In dieser Stunde meines Lebens wird mir eines klarer, als es sonst manchmal war: Ein Leben ist verloren, wenn es nicht in ein inneres Wort, in eine Haltung, eine Leidenschaft sich zusammenfasst. Der Mensch muss unter einem geheimen Imperativ stehen, der jede seiner Stunden verpflichtet und jede seiner Handlungen bestimmt. Nur der so geprägte Mensch wird Mensch sein können, jeder andere wird Dutzendware, über den andere verfügen. Der geprägten Menschen sind heute so wenige; das macht ja das Leben so spannungslos und beziehungsarm. Es gibt keine echten Dialoge mehr, weil es keine echten Partner mehr gibt. Die Menschen wagen es nicht mehr, die Grenzen ihrer Wirklichkeit ernsthaft und ehrlich abzuschreiben, weil sie die Entdeckung fürchten, die ihrer an den Grenzen warten.“
Delp hat erleben müssen, wie der zur Dutzendware werdende Mensch zum Mitläufer wird, über den andere verfügen. Er hat hautnah erlebt, wie es sich anfühlt, wenn Menschen innerhalb der Grenzen des Schwarz-Weiß-Sehens, des Freund-Feind-Schemas, eingesperrt sind und, mit einem Brett vor dem Kopf, die Grenzen überschreitende Entdeckung fürchten. Der diesjährige Advent lädt mich ein, das innere Wort, vielleicht mein adventliches Bibelwort, zu entdecken, welches mich zusammenfasst. Die Bibel endet mit dem adventlichen Ruf: „Marana tha – Komm, Herr Jesus“. Der Advent ist Einübung in eine neue Grundhaltung, in Zuversicht drüber hinauszusehen und weiter zu sehen als wir sind. Als adventlich geprägter Mensch, der auf das Entgegenkommen Gottes wartet, entkomme ich der breiten Masse und werde zum geprägten Charakterkopf, der spannend bleibt, weil er auf die Ewigkeit ausgerichtet bleibt und Letztere riechen kann. Adventliche Menschen werden an ihre Grenzen geführt und machen dort die große Entdeckung ihres Lebens, dass uns die unendliche Weite Gottes umgibt und in ihren Atem-Raum aufnimmt. Seien wir adventliche Menschen! Eine gesegnete Adventszeit wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Alois Krist
