Jetzt mit Video am Ende des Beitrags.
Bericht Projekt „Himmelwärts”
Unter dem Projektnamen „Himmelwärts” erhielten wir mit Startschuss am Donnerstag, den 18.04.24 um 17:07 Uhr, die Aufgaben, einen der vier Aufbahrungsräume des Friedhofs Pflugfelden und das Sternenkindergrab am Neuen Friedhof in Ludwigsburg neu zu gestalten und auf Vordermann zu bringen. Wir – das sind die Minis St. Thomas und Johannes & Friends aus Ludwigsburg, die im Alter von 10 bis 26 Jahre sind. Schon im Januar begann die Planung der Aktion, die deutschlandweit alle vier Jahre stattfindet. Ziel der Aktion ist es, das vorgegebene Projekt innerhalb der 72 Stunden hauptsächlich auf Spendenbasis zu realisieren.
Beim ersten Planungstreffen kamen zwei Leiter auf eine perfekte Idee. Sie verloren innerhalb eines Jahre ihre Großeltern. Am Tag der Beerdigungen sollten sie sich in Aufbahrungsräumen von ihnen verbschieden, deren Mobiliar und Zustand beide Male solch einem endgültigem Abschied nicht würdig waren. In beiden Fällen hätten sie sich einen freundlicher gestalteten Ort zum Abschiednehmen gewünscht. Was sie mit ihrer Idee alles lostreten würden, war ihnen wahrscheinlich selbst gar nicht bewusst. Jugendreferentin Frau Anna Jehle aus dem Koordinierungskreis (KO-Kreis) vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Ludwigsburg-Mühlacker und der Jugendkirche Ludwigsburg unterstützte uns ebenfalls sofort und bildete eine wichtige Stütze für die Umsetzung des Projektes.
Denn fast drei Monate später konnten die stabilen Rahmenbedingungen, damit die Aktion überhaupt stattfinden konnte, von der Stadt mit ihrer Zusage zur Freigabe der Räume geschaffen werden. Die Evangelische Kirche Pflugfelden stellte uns ihr Gemeindehaus als Übernachtungsmöglichkeit vor Ort zur Verfügung. Im Laufe der 72 Stunden war das unsere „Zentrale”, wie wir sie liebevoll nannten. „Der Goldene Pflug”, sagte uns schon vor offiziellen Beginn der Aktion drei fantastischen Mittagessen zu und sorgte für unser leibliches Wohl.
Zunächst stiegen wir am Donnerstag mit Herrn Michael Friedmann thematisch ein, der vor allen mit uns über persönliche Erfahrungen mit dem endgültigen Abschied von geliebten Personen und den Umgang damit sprach. Michael Friedmann ist Referent für Kinder und Jugendtrauer und brachte damit die perfekte Voraussetzung mit, den Einstieg als Gruppe in dieses schwierige Thema zu finden. Denn bis dahin wussten wir gegenseitig nicht, wer denn bereits Berührungspunkte mit der Thematik hatte oder nicht. Schnell zeigte sich auch, dass der Stand zu diesem Thema sehr unterschiedlich ausfiel und der Großteil der Gruppe eher weniger Berührungspunkte hatte. Deswegen waren viele von uns erst mal unsicher, wie sie zu dem Projekt stehen sollten.
Bereits im Vorfeld nahm sich Michael Friedmann die Zeit, um mit den Eltern der jüngeren Kindern ins Gespräch zu kommen. Dem Leitungsteam war es nämlich wichtig, dass die Eltern entsprechend darauf vorbereitet waren, wenn ihr Kind nach Hause kam und über das Thema „Tod und Abschied” sprechen möchte. Außerdem war klar: Trotz Übernachtungsmöglichkeit vor Ort, gehen am Donnerstag alle Kinder wieder heim, damit sie in einem bekannten und vertrauten Umfeld das Erlebte erzählen konnten. Zudem erhielten alle Eltern zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Projektes eine Informationsmail, in der nochmal die wichtigsten Punkte und der Ablauf festgehalten wurden. Somit war gesichert, dass es für die Teilnehmenden eine Überraschung bleibt, aber die Eltern sich trotzdem schon im Vorfeld auf das Thema einlassen konnten.
Der inhaltliche Abschluss am Donnerstagabend stellte die Frage: Was war dein schwierigster Abschied und was hättest du gebraucht, um mit dem Abschied besser klarzukommen. Auch hier zeigte sich, dass viele von uns eher alltägliche Beispiele nennen konnten, anstatt über einen Todesfall zu sprechen. Doch insbesondere der zweite Teil zeigte, dass Abschied, und der Umgang damit, ganz unterschiedlich wahrgenommen wird. Die erste Person möchte allein sein, die nächste will Musik hören und eine andere Person braucht Gesellschaft. Und das sind nur drei der vielen verschiedenen Beispiele, die an dem Abend genannt wurden.
Doch die Besichtigung der Räumlichkeiten ließ die Unsicherheit ganz schnell verfliegen. Viele von uns betraten zum ersten Mal einen Aufbahrungsraum und bei allen stellte sich das gleiche Gefühl ein: Beklemmung, Fluchtinstinkt und Trauer. Und das, ohne dass eine geliebte Person vor einem lag. Der Raum wurde teilweise als Abstellkammer benutzt und so richtig einladend wirkte es überall nicht.
erst recht nicht im Angehörigenraum, auf den wir dann am Donnerstagabend gestoßen waren. Abgesehen von einem Tisch und zwei Stühlen, einer funktionsunfähigen Garderobe und einem in die Jahre gekommenen Vorhang war nichts vorzufinden. Und hier sollten sich Trauernde zusammenfinden und ins Gespräch über die verlorene Person kommen? Hier sollte sich jemand wohlfühlen, der Abschied nehmen möchte, vor allem bei einen endgültigen Abschied? Auch im Aufbahrungsraum gab es keine Abstellmöglichkeiten, dass man Erinnerungsstücke mithineinnehmen und schön drapieren könnte. Was vielen auch auffiel, waren der Geruch und die Lichtverhältnisse.
Sofort sprudelten bei uns allen die Ideen, wie man diesen Raum besser gestalten könnte. Jetzt, da wir wussten, wie viel es einem bedeuten kann, würdig Abschied zu nehmen und was man selbst dafür braucht, hatte jeder einen Zugang und brachte sich mit seinen Ideen ein. Schnell war klar, dass die Räumlichkeiten sehr viel Potenzial boten, und wir nahmen uns vor, beim Gespräch am nächsten Tag mit der Stadt abzuklären, nicht nur den Aufbahrungsraum, sondern auch den Angehörigenraum mitgestalten zu dürfen. Damit erweiterten wir also unsere Aufgabe.
Die Absprachen mit der Stadt rührten daher, dass diese die Eigentümerin der Räumlichkeiten ist. Zudem mietet das Friedhofsamt die Räumlichkeiten — das heißt, wir mussten direkt mit zwei Behörden ins Gespräch kommen. Und am Freitagvormittag um 11 Uhr war es dann so weit: Während vier von uns bereits das Sternenkindergrab besichtigten und von Frau Sabine Leibbrandt gezeigt bekamen, was dort wiederhergerichtet werden soll, gingen andere von uns mit Herrn Harald Lenk vom Hochbauamt und Frau Sabrina Raith vom Friedhofsamt ins Gespräch. Dabei stellten sie die Vorstellungen der Gruppe zur Raumgestaltung vor. Sowohl Herr Lenk als auch Frau Raith begrüßten es, sowohl den Aufbahrungsraum als auch den Angehörigenraum neuzugestalten und unterstützten unsere Gestaltungsideen. Zum Beispiel war es uns wichtig, in dem Angehörigenraum auch Platz zu schaffen, an dem sich Kinder beschäftigen und sich auch trotz der schwierigen Situation wohlfühlen können.
Den restlichen Freitag widmeten wir uns der Suche nach Sponsoren und Sachspenden. Neben großzügigen Sachspenden auf eBay Kleinanzeigen und mehreren Einzelspenden von privaten Personen und verschiedenen Läden, stellte die Sparda-Bank Baden-Württemberg durch den Ludwigsburger Filialleiter Michael Bley uns 3.000 Euro zur Verfügung, die unserem „Telefonteam” finanzielle Sicherheit gaben. Derweil vermaß das „Putzteam” die beiden Räume und der Rest suchte in der Stadt nach Blumen für das Sternenkindergrab sowie nach Büchern für die Kinderecke. Danach wurde ein Plan für Samstag mit allen benötigten Möbeln, Abholterminen und Zusatzartikeln zusammengestellt. Eine der wenigen Sachen, die wir an diesem Tag nicht bekommen haben, war genug Schlaf.
Was ebenfalls am Freitagabend noch geschah: ein Fotomotiv, was im Vorfeld mit der Stadt abgesprochen wurde, wurde von Herrn Meti Bityqi, der gelernter Maler und Stuckateur ist, an die Wand tapeziert. Dabei halfen zwei aus unserem Team tatkräftig mit. Während den Arbeiten kamen wir ins Gespräch und es war sehr interessant, hierbei einen Einblick in den muslimischen Umgang mit Thema „Tod und Trauer” kennenzulernen und sich darüber auszutauschen. Die Wandtapete wurde mit einem Farbstreifen umrandet. Hierfür danken wir Herrn Alexander Gimpel, der uns mit Rat und Tat unterstützte und uns kurzfristig Farbe und Malutensilien bereitstellte.
Am nächsten Vormittag galt es, alle benötigten Gegenstände innerhalb eines Tages abzuholen oder zu kaufen.
Währenddessen konnte die am Sternenkindergrab arbeitende Gruppe unser erstes Teilziel erfüllen: Am Grab wurden ausgebrannte Kerzen und altes Laub entfernt und frische Blumen gepflanzt.
Als wir dann nachmittags endlich die Gestaltung der Räume angehen konnten, waren wir sehr erleichtert. Mit anderen Worten: es war ein ziemlich straffes Programm. Es wurde sogar ein Wecker so gestellt, dass wir noch pünktlich am Baumarkt ankommen konnten, um benötigtes Baumaterial zu besorgen.
Kaum hatten die Märkte geschlossen, tauchte jedoch das erste Problem auf: Die Aufhängung für den geplanten Vorhang passte nicht in die integrierte Schiene im Angehörigenraum. Sofort wurden alle Kräfte mobilisiert und Herr Clemens Mohn, ebenfalls Teil des KO-Kreises, kam sofort vorbei und unterstützte uns tatkräftig mit seinem handwerklichen Geschick. Kurze Zeit später, war die Schiene abgeschraubt, ein mobiler Klemmblock aufgebaut und eine Flex angeschmissen und schon wurde die Schiene an die Aufhängung angepasst. Vorhangproblem gelöst. Der Schlafmangel hielt aber weiter an, denn es musste eine weitere halbe Nachtschicht eingelegt werden.
Und am Sonntagmorgen wartete dann schon das nächste Problem auf uns: obwohl wir alles durchgegangen waren, welche Schrauben wir wofür brauchen, fehlten uns nun 5 Stück, um die Regale an der Wand zu aufzuhängen. Was nun? Genau: ein weiterer Hilferuf und Clemens Mohn machte es möglich, zu uns zu kommen und uns wieder tatkräftig zu unterstützen. Erneut verdanken wir ihm, dass die Regale mit den richtigen Schrauben an der Wand hingen. Und das keine Sekunde zu spät, denn die ganze Einrichtung der Möbel musste noch vorgenommen werden. Zudem erwarteten wir Besuch.
Bereits am Samstagabend hatten wir die Ehre Weihbischof Thomas Maria Renz bei uns begrüßen zu dürfen. Er war von uns als Gruppe und von unserem Projekt so begeistert, dass er uns zu einem Abschlussessen einlud. Am Sonntagmorgen durften wir zudem Domkapitular Holger Winterholer bei uns begrüßen und am Nachmittag schauten Bürgermeisterin Andrea Schwarz und leitende Pfarrer Alois Krist aus Ludwigsburg bei uns durch. Dazwischen schaute Frau Nadine Maier bei uns durch. Sie ist Pastoralrefertin und als Diözesanjugendseelsorgerin BDKJ für den Bereich Kinder- und Jugendarbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart tätig. Zudem ist sie Autorin bei „Kirche im SWR” bot uns damit eine Möglichkeit, unser Projekt in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Auch das war ein kleines Ziel von uns, da das Thema Tod und der Umgang damit in der Gesellschaft oftmals als Tabuthema gilt.
Doch Ende gut, alles gut: wir sind sehr stolz, was aus den Räumlichkeiten geworden ist und freuten uns sehr, dass wir am Sonntag, den 21.04.24, um 17:07 Uhr die Räumlichkeiten offiziell wieder übergeben konnten. Die Übergabe wurde vom
Trauerseelsorger Herrn Wolfgang Müller aus Ludwigsburg moderiert. Er unterstützte uns auch bei der Gestaltung der Zusprüche, die überall in den Räumlichkeiten zu finden sind.
Die Zusprüche kommen von den Gegenständen. Ziel dieser ist es, den Trauernden Mut zuzusprechen und sie in ihrer schweren Zeit zu begleiten. Zudem geben sie bereits Anweisungen, was die Personen, die die Räumlichkeiten nutzen, mit den Gegenständen anfangen können. Zum Beispiel „sagt” das Stimmungslicht: „Ich fühle mit dir” oder der Magnetstreifen „Ich halte deine Erinnerungen”.
Am Sonntag konnten wir das Projekt auch gut inhaltlich abschließen, da unser Gemeindepfarrer Frank Schöpe uns eine geführte Tour über den Friedhof anbot. Dabei stand im Mittelpunkt, wie unterschiedlich die Menschen die Gräber ihrer Liebsten gestalteten. Er stand trotz gleichzeitiger Erstkommunionsgottesdienste ebenfalls unterstützend zur Seite und war dem Projekt und seiner Umsetzung begeistert.
Abschließend lässt sich festhalten: die Entwicklung von jeden einzelnen Teilnehmenden war deutlich spürbar. Wir sind als Gruppe zusammengewachsen und jede*r konnte sich mit dem Thema am Ende identifizieren und der Stolz und die Freude über das Ergebnis ist deutlich erkennbar — vor allem bei der Liebe fürs Detail bei den neugestalteten Räumen!
Wir danken allen, die wir bereits genannt haben und allen, die uns unterstützt haben und vielleicht noch nicht genannt wurden. Jede helfende Hand wurde bei dem Projekt gebraucht und wir freuen uns sehr, dass viele bereit waren, uns diese sofort zu geben.
Song: Syn Cole – Need Ya [NCS Release], über NoCopyrightSounds: http://NCS.io/NeedYa